1 + 1 = 3!

1 + 1 = 3!

Alles ist neu und ungewohnt, jetzt sind wir nämlich daheim. Nur eben mit Baby. Außerhalb meines Bauches. Jetzt sitze ich hier und tippe auf meinem Laptop, der wieder auf meinen Schoß passt – und ein leise atmendes Wesen liegt neben mir, friedlich schlummernd. Aber von vorne …

Nun ist unser kleiner Mann – darf ich vorstellen: Mika Louis – schon eineinhalb Wochen alt und seit einigen Tagen sind wir daheim. Gegen Ende der Schwangerschaft wurde mittels eines Abstrichs festgestellt, dass ich einen Keim in mir trage, sogenannte B-Streptokokken. Hört sich erst mal tragisch an, ist es aber nicht. Ein Drittel aller Frauen tragen ihn in sich, ohne jemals Symptome zu spüren. Nur bei der vaginalen Geburt kann das Baby sich infizieren und in schlimmen Fällen blind werden oder sogar sterben. Ganz einfach behoben ist das Problem mit einer Antibiose für die Mama während der Geburt. Zur Sicherheit sollen Mama und Kind aber ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, damit das Neugeborene überwacht werden kann (und um schnell zu merken, falls es sich doch angesteckt haben sollte).

Von Anfang an trank der kleine Mann allerdings gut an der Brust, sah gesund aus und bestätigte den Anschein, dass alles gut war. Also durften wir nach der U2 gleich nach Hause. (Meine Hebamme hatte ja schon prophezeit, dass ich es nicht lange aushalte …). Ich hingegen dachte: „Die stressfreien Tage im Klinikum nimmst du noch mit. Dort lacht dich kein Berg Wäsche an oder die Hundehaare auf dem Boden.“ – Nix da. Schon am zweiten Tag wollte ich heim. Von der Geburt und dem vielen Besuch war ich so überfordert und gestresst, dass ich nur noch in mein eigenes Bett wollte, wo mein Mann an meiner Seite liegen würde und ich mich auf das neue Geschöpf in meinem Leben konzentrieren konnte.

An den ersten Tag kann ich mich kaum erinnern. Ich war wie in Trance. Nach der Geburt in einem Gefühlsrausch, den man nicht erklären kann. Ungläubig konnte ich nur mein Kind anstarren. Moment mal – mein Kind? Immer noch komisch zu sagen … und ein eigenartiges Gefühl breitet sich in mir aus. In meinem Kopf herrscht wildes Durcheinander, das merkt man dem Text vielleicht auch an. Niemals hätte ich gedacht, dass meine Hormone und Gefühle, positive wie negative, mich so überfordern könnten. Als Krankenschwester weiß man doch Bescheid. Ich war doch auf alles gefasst, ich wusste, wie es sich anfühlte, ein Neugeborenes zu halten ... Und doch wusste ich nicht wohin mit mir selbst. Zwar habe ich keine Angst mein Kind zu zerbrechen oder etwas falsch zu machen beim Wickeln oder Sonstigem. Aber die komplette Situation war so unwirklich und gleichzeitig war ich bei jeder Kleinigkeit den Tränen nahe.

Dieses Phänomen, das ich kannte, jedoch niemals wirklich ernst genommen hatte, nennt man Baby Blues oder Heultage – und machte mir die vergangenen Tage zur Hölle. Davor konnte ich mir nicht vorstellen, wie unglaublich schlecht und hilflos man sich damit fühlt. „Hätte mir das einer mal früher erzählt …“ habe ich mir andauernd gedacht – und mich dann erinnert, dass das ja getan wurde. Nur kann man es sich, wie gesagt, einfach nicht vorstellen, wenn man noch keine Kinder hat und so etwas noch nicht durchgemacht hat. Ich fühlte mich unglaublich einsam, trotz all der Menschen um mich herum, und schuldig, dass ich nicht einfach pures Glück und 100 % Liebe empfinden konnte. Man will sein Kind ja einfach nur lieben und in Glückseligkeit schwelgen.

Diese Tage waren extrem intensiv und ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand. Die Tränen liefen bei jeder Kleinigkeit und ich vermisste Daniel unglaublich. Der musste die letzten Tage noch arbeiten, sodass wir uns auf seine Pausen während der Nachtschicht beschränken mussten. Allerdings wollte ich das vor keinem anderen zeigen und lies die Tränen nur raus, wenn zwischen den Besuchen mal 10 Minuten Luft war – oder nachts, wenn meine Bettnachbarin schlief und ich mit meinem Baby im Arm im Bett lag. Das waren allerdings gleichzeitig die einzigen Momente, die ich mit Mika alleine genießen konnte und in denen wir uns aneinander zu gewöhnen versuchten.

Während ich das hier schreibe, laufen mir wieder die Tränen runter. Eigentlich ich möchte mich gar nicht erinnern, aber gleichzeitig war es auch eine Erfahrung, die ich nicht vergessen mag … und durch diesen Blog habe ich die Möglichkeit, es mir später noch einmal durchzulesen. Für viele klingt das jetzt sicher unverständlich und ein bisschen daneben. Das verstehe ich – noch vor einer Woche hätte ich es auch nicht verstanden. Und im Moment kann ich mich auch nicht besser ausdrücken, da das ganze Gefühlschaos noch nicht ganz aufgeräumt ist. Allerdings hat mir meine Hebamme gleich am ersten Tag daheim Kügelchen gegeben, die ich alter Schulmediziner selbstverständlich erst nicht wollte. Von denen sollte ich jede Stunde 5 Stück nehmen. Vielleicht waren es die Kügelchen, vielleicht die vergangene Zeit oder vielleicht die Tatsache, dass Daniel jetzt da und der ganze Besucheransturm weg ist. Oder möglicherweise war es alles zusammen. Aber jetzt muss ich schon nicht mehr ganz so viel weinen und ich bin schon viel glücklicher in meiner neuen, noch immer ungewohnten Situation.

Wenn ich nur zwei Tipps geben darf für all die, die noch keine Kinder haben, diese aber gerne wollen: Erstens, bitte holt euch nicht allzu viel Besuch ins Krankenhaus und in der ersten Zeit nach Hause. Es überfordert, stresst und hält euch davon ab, euer Kind selbst kennenzulernen. Ich bin nach zwei Tagen weinend zusammengebrochen und habe erst dann realisiert, dass es auch zu viel werden kann. Selbst wenn es alle nur gut meinen. Jetzt schotten wir uns erst einmal ab, was gar nicht so leicht ist. Und zweitens, erinnert euch daran, dass ihr nicht alleine seid, in der Zeit, in der es einem auch richtig schlecht gehen kann. Ich sage bewusst nicht, dass es nicht schlimm ist, oder dass es vorüber geht, auch wenn es das tut. Aber helfen wird das in dem Moment ganz sicher nicht. Das einzige, was hilft, ist jemand, der nicht andauernd fragt, was denn das Problem ist und was er machen kann, sondern einfach nur da ist und einen in der Arm nimmt und Liebe gibt. Mein Mann hat das zum Glück im Geburtsvorbereitungskurs mitbekommen und gelernt, nicht allzuviel in diese Situation hineinzuinterpretieren.

So, das war der erste Blog nach Mikas Geburt, ein bisschen durcheinander und ein bisschen unverständlich, aber das wird wohl hoffentlich wieder besser werden. Seit Tagen verliebe ich mich immer wieder neu in meinen kleinen Mann, der ganz nebenbei ein Junge ist (so wie alle dachten …).

Ein ausführlicher Geburtsbericht folgt dann nächste Woche, selbstverständlich mit all den unschönen Einzelheiten, wie man es eben von mir kennt.

Liebe Grüße

Mama und Sohn

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