Bye Bye Babyblues

Bye Bye Babyblues

Du hast geweint. Den ganzen Tag. Ohne einen Grund dafür zu haben oder überhaupt zu wissen, weshalb du nicht aufhören kannst zu weinen. Du hast dich über dich selbst geärgert, weil du nicht so emotional, so verletzlich sein wolltest. Außerdem wurde dir das Glück nach der Geburt ganz anders prophezeit. Du hast es dir harmonisch und himmlisch vorgestellt und dich dann gewundert, wo nun diese weiche, rosa Wolke auf dich wartet. Auf dich und dein wundervolles kleines Geschöpf, das du vor nur wenigen Tagen noch in dir gespürt hast und dann genau so auf die Welt gebracht hast, wie du es dir vorgestellt hast. Eine perfekte Geburt. Ein wunderschönes Erlebnis, auf das eine wunderschöne Zeit ohne Tränen und Trauer und jeglichem Negativem ja automatisch folgen muss. Und dann die Enttäuschung. Die über dich selbst ist am größten gewesen. Und es war unglaublich schmerzhaft, dass Außenstehende, aber dir doch Nahestehende nicht nachvollziehen konnten, was du empfunden hast und dass du gelitten hast. Dass du nicht ernst genommen wurdest und dein Krankheitsbild nicht als solches anerkannt wurde. Weil du keine offene Wunde vorführen konntest oder einen Laborzettel mit entsprechenden Werten. Sogar deine engsten Freunde und deine Familie haben dich missverstanden, und du wusstest, sie denken, du übertreibst – und solch ein Gefühl kannst du doch nicht haben. Was für ein Gefühl überhaupt? 80 % der frischgebackenen Mamas bekommen einen Babyblues. Die Heultage. Ab dem 3. Tag und das für einige Tage. Durch eine Welle der Emotionalität werden sie hypersensibel und sogar geruchsempfindlicher. Damit sie „durchlässiger“ sind und die Liebesbereitschaft für das Neugeborene ausgeprägter ist. Man soll in der Lage sein, sein Baby am Geruch zu erkennen. Der Neandertaler in dir. Das hat sich die Natur nicht abschwatzen lassen. Durch das Weinen soll der Körper sich entspannen. Doch bei ungefähr 15 % dieser Mamas nimmt dieser unangenehme Zustand extreme Formen an und sie müssen sich professionelle Hilfe suchen. Genug der Zahlen und schlauen Informationen. Du hast dich schlecht gefühlt und du hattest pralle, schmerzhafte Brüste. Dein Mann musste arbeiten, und es war zu heiß in der Wohnung. Und überhaupt, war es denn die richtige Entscheidung, ein Baby zu bekommen? Wenn du noch nicht mal die ersten Tage meistern konntest? Du wolltest nicht essen oder trinken und bist nicht mehr aus dem Bett aufgestanden. Du konntest dein Baby nicht abgeben, du wurdest unruhig und es tat dir regelrecht in deiner Brust und in deinem ganzen Körper weh, wenn jemand dein Kind gehalten hat. So unruhig warst du davor noch nie. Du hast dich gefühlt, als würde dir jemand dein Herz herausreißen. (Jetzt übertreibt sie aber, denkt ihr euch. NEIN, tut sie nicht!) Du wolltest weinen, wenn jemand ihn genommen hat. Oder er geweint hat. Oder du gestillt hast. Oder dich jemand angeguckt oder angesprochen hat. Du konntest nicht den Namen deines Kindes nennen. Du wolltest deine Ruhe und keinen in deiner Wohnung haben, obwohl du doch noch nie alleine sein konntest. Plötzlich wolltest du das. Da wusstest du, das ist ein schlechtes Zeichen. Die Hebamme hat gesagt, du musst dir Hilfe suchen, also hat deine Frauenärztin dich an die Depressionsambulanz in das Bezirkskrankenhaus verwiesen. Dort hast du erzählt, wie du dich fühlst. Was ziemlich schwer war, da du es ja selbst kaum beschreiben konntest und das Gefühl so neu und untypisch für dich war. Hast du „lebensmüde“ Gedanken, haben sie gefragt. Klare Antwort: Nein. Ob du Tabletten oder einen stationären Aufenthalt willst. Wieder: Nein. Auch um dein Kind konntest du dich noch kümmern. Es hätte also auch noch schlimmer kommen können, fällt dir auf. Es gibt Mamas, die ihr Kind nicht lieben und sich nicht darum kümmern können, und du beschwerst dich schon über das bisschen Weinen. Du hast dich schlecht gefühlt. Dass dich keiner verstanden hat, machte es noch schlimmer. Du dachtest, die Leute sind unsensibel, aber sie haben nur nicht über ihre Worte nachgedacht, und du warst außerdem viel zu sensibel. Du warst ungeduldig und hast dich geärgert, dass es nicht besser wurde. Also hast du zugestimmt, Tabletten zu nehmen. Auch über einen stationären Aufenthalt hast du öfter nachgedacht. Weil dort verstehen dich die Leute. Jetzt wird es endlich besser. Nach 4 Monaten ist nur noch ungefähr jeder 3. oder 4. Tag ein schlechter und auch deine Tabletten nimmst du nun endlich regelmäßig. Aber du bist noch immer ungeduldig. Und die anderen verstehen es noch immer nicht. Es ist unsere Gesellschaft, an der es liegt. In anderen Kulturen ist es völlig normal, diese Gefühle zu haben, und Verwandte passen auf, dass man sich nicht übernimmt oder genug isst usw. Sogar in der Bibel wird schon beschrieben, dass man Mütter nach der Geburt für eine gewisse Zeit in Ruhe lässt. Wo unsere Kultur doch so fortschrittlich ist und, wie wir denken, tolerant. Ein sehr guter Freund hat dir gesagt: „Psychische Krankheiten sind eingebildet und ausgedacht.“ Auch deinem Mann ging es sehr schlecht, dich so zu sehen. Es war eine Bewährungsprobe, die ihr gemeistert habt. Es ging dir schlecht, aber nicht so schlecht, wie vielen anderen (auch, wenn diese Information dir in der Akutphase niemals helfen würde). Du hast viele Briefe und Artikel gelesen von Müttern, denen es noch schlechter ging. Die keine Liebe oder Berührungen zulassen konnten. Schrecklich. Bedauernswert und einfach nur schrecklich. Und deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen um die Betroffene herum sensibel und verständnisvoll sind, auch wenn sie es nicht nachvollziehen können. Die Antwort ist Ja. Das schreien alle Fasern deines Körpers mit viel Nachdruck und so intensiv, dass es dir fast weh tut. Die Antwort auf die anfänglich gestellte Frage: „Willst du überhaupt ein Kind?“ Niemals hast du so intensiv gefühlt und geliebt, wie du es jetzt tust. Jetzt musst du dir einen Gesprächstherapeuten suchen. Du hast einen Sohn, den du liebst, und eine Krankheit, mit der du lernen musst umzugehen. Und dich Schritt für Schritt herauskämpfen. Es wird sich lohnen. Liebe Grüße, deine Leonie

Kommentare (0)

Schreiben Sie ein Kommentar

Die mit einem Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.