Das große kleine Wunder vom Leben

Das große kleine Wunder vom Leben

Lieber Mika,

mein kleiner Mann. Mein Ein und Alles. Ein neuer kleiner Mensch in einer großen Welt, von der Du noch nicht sehr viel weißt. Dich jetzt hier zu haben, grenzt an ein Wunder. Nein: Es ist ein Wunder!  Dass aus einem winzigen Zellhaufen ein fertiger Mensch werden kann, der isst und trinkt und atmet und denkt. Dass Du aus uns entstehen konntest, kann ich auch jetzt, nach 7 Wochen, noch immer nicht glauben. Du bist schon eine Zeit lang bei uns, und doch fühlt sich alles unglaublich neu und ungewohnt an. Und Zeit zum Gewöhnen lässt Du mir auch gar nicht, weil Du Dich ja ständig veränderst. Zwei Kleidergrößen bist Du schon gewachsen. Knappe zwei Kilo hast Du zugenommen. Und Du bist schon fast zehn Zentimeter größer als am Tag Deiner Geburt.

Du wirst diesen Brief erst in vielen Jahren lesen, davon gehe ich aus. Und selbst dann, wenn Du liest, was Deine Mama, eine noch ganz neue und unerfahrene Mama, da geschrieben hat, wirst Du es noch nicht nachvollziehen können. Du wirst noch nicht verstehen können, was ich gefühlt habe, als ich Dich zum ersten Mal gesehen habe. Als ich an Dir riechen und Dich auf meiner Brust spüren konnte. Wie surreal und romantisch diese ersten Minuten und Stunden waren, in denen wir beide uns erst einmal erschöpft beschnuppern mussten. Als wir uns noch fremd waren, obwohl wir uns 9 Monate lang berührt und gespürt hatten. Du wirst nicht nachvollziehen können, was das für ein Gefühl war, Dich endlich in den Armen halten zu können. Und in der Lage zu sein, Dich mit meiner eigenen Milch versorgen zu können, die Dich so schnell wachsen lässt. Und dass wir stolz sind auf jede kleine Errungenschaft in Deiner Entwicklung.

Jeder Zentimeter, den Du wächst, und jedes Gramm, das Du zunimmst, ist für uns Grund genug zu feiern und vor Stolz anzuschwellen. Dass Du uns jetzt anlächelst und das ganz bewusst entscheidest – denn wir sind die Menschen, die Du liebst. Dass Du Dich von mir beruhigen lässt, wenn es sonst keiner kann. Dass ich meist weiß, wie Du gehalten werden möchtest, damit es Dir besser geht. Wenn Du weinst und nichts Dich beruhigt außer meiner Stimme, wenn ich für Dich singe. Und dass Du nur in unserer Nähe richtig schläfst.

All diese Dinge und Gefühle wirst Du erst nachvollziehen können, wenn Du eines Tages einmal selbst Kinder in die Welt setzt. Wenn Du dieses Wunder mit einem zweiten Menschen teilen und erleben kannst. Ich hoffe sehr für Dich, dass Du diese Gefühle einmal selbst spüren wirst. Dass Du vor lauter Glück weinen könntest, wenn Du nur an Dein kleines Wunder denkst. Dass Du bereit wärst, ohne mit der Wimper zu zucken Dein Leben zu geben und alles was Du hast. Für den kleinen Menschen, der Dir so vertraut und Dir seine unschuldige, reinste Liebe schenkt.

Dass ich überhaupt in der Lage bin, so eine Art von Liebe zu erleben und geben zu können, hätte ich niemals geglaubt. Dass ich so viel Glück empfinden könnte, obwohl es mir eigentlich schlecht geht nach Deiner Geburt, ist unbegreiflich. Es ist ein Wunder, wie die Natur all das so wundervoll geregelt hat. Dass ich mir stundenlang verkneifen kann, auf die Toilette zu müssen, damit ich Dich herumtragen und mich kümmern kann. Dass ich den Drang, zu essen und zu trinken komplett verdrängen kann, ja manchmal sogar vergesse, damit Du rechtzeitig gestillt werden kannst. Dass ich trotz Schlafmangel noch Kraft für Dich habe. Dass es trotz so mancher Verzweiflung immer weiter geht. Dass Du so süß schläfst oder Dich mit einem tiefen Seufzen an mich drückst.

Es ist unglaublich, welch positiven Gefühle ich 22 Jahre lang nicht kannte. Zu schöne Gefühle, um sie irgendeinem Menschen vorzuenthalten. Auch wenn ich mich unglaublich schwer tue, sie in Worte zu fassen.

Ich denke, es ist fast nicht möglich, all diese Gefühle jemandem zu erklären, der noch keine Kinder hat. Dass ich – als eigentlich so starke Person – keine schlimmen Nachrichten mehr sehen oder hören kann. Dass ich schlimme Ereignisse lieber ausblende oder gar nicht erst lesen möchte, hätte ich niemals von mir gedacht. Dass ich jede Familientragödie, jedes schlimme Ereignis, das man irgendwo mitbekommt, auf sich selbst und seinen kleinen verwundbaren Menschen projiziert, ist unglaublich kräftezehrend und doch so tief verankert, dass man gar nicht anders kann.

Dass ich Deine Mama sein kann, sein darf, erfüllt mich mit so viel Liebe, dass es weh tut, wenn ich daran denke. Die Tatsache, dass mir ein Leben anvertraut ist, es an mir liegt, wie gut Du gefördert wirst und was Du in Deinem Leben erfahren und erleben darfst. Wie Du aufwächst und was Du isst. Wie Du sprichst und was Du sehen wirst. All das liegt nun in unserer Hand, und ich verspreche Dir, ich werde immer mein Bestes geben und Dich vor allem beschützen, was in meiner Macht liegt.

Ich hoffe, Du liest diese Zeilen irgendwann und wirst in vielen Jahren selbst erfahren, was es heißt, ein Elternteil zu sein.

Du wirst unendlich geliebt und da werden immer Hände sein, die Dich auffangen!

Deine Mama

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