Eine wundervolle Reise …

Eine wundervolle Reise …

Jede Bald-Mami mit einem Baby im Bauch hat Wirrwarr im Kopf. Es passiert scheinbar automatisch. Manche sagen, das seien Hormone, andere sagen, dass der Energiebedarf des noch Ungeborenen die Fettzellen des Gehirns einfach zum Schmelzen bringt. So oder anders: Tatsache – und ein offenes Geheimnis – ist: Man kann bei der werdenden Mama kurz vor der Geburt einfach nicht mehr von hundertprozentiger Zurechnungsfähigkeit sprechen. Fragt die werdenden Väter … Daher kann eine Schwangere gerade in den letzten Monaten vor der Geburt sich nichts mehr merken, braucht unzählige Babysachen-Einkaufslisten, versteht komplexere Zusammenhänge nicht, wie z. B. die gesamte Prozedur der Elternzeit-Anträge … und sehnt sich nach einer Geburtsklinik, die einer Wellness-Oase gleicht. Bei mir kam dann noch ein Umzug dazu, auch ein Klassiker für viele Bald-Eltern. Das hat vermutlich mit dem angeborenen Nestbautrieb zu tun. Bei uns war es jedoch ein klein bisschen komplizierter als eine neue Wohnung innerhalb der gleichen Stadt: Hamburg–Stuttgart sollte es sein … und so kugelte ich im mittleren Trimester mit meinem Mann zu Wohnungsbesichtigungen, die 700 km weiter entfernt waren. Wir hatten allerdings irre viel Glück und fanden ein tolles neues Nest – was dann für mich bedeutete, mich nach Geburtskliniken und neuer Hebamme umzuschauen. Wie schwierig es war, eine Hebamme nur ein Paar Monate vor der Geburt zu finden, werde ich hier aus politischer Korrektheit nicht beschreiben. Nur so viel: in unserem Land ist das Verhältnis von Bedarf und Angebot scheinbar unverhältnismäßig. Ganz zu schweigen von der Anerkennung für diesen Berufsstand. Irgendwann jedoch saß ich tatsächlich eines Tages in meinem neuen Wohnzimmer mit Frau Hebamme … und schrieb mir wie eine Schülerin alles auf, was sie mir an Tipps gegeben hat – um bloß nichts zu vergessen. Im Laufe der Zeit wurde für mein neues schweres Ich jeder Spaziergang so schwierig wie eine Reise bis zum Mond. In meinem Kopf fand gleichzeitig eine Party statt, auf der Wickelkommoden, Beistellbettchen, Baby-Schlafsäcke und Pucktücher die Gäste waren … Besichtigungen machten wir nun weiterhin – diesmal von Geburtskliniken. Für mich war es eine Überraschung, dass die Kreißsäle nicht mehr diesen fiesen kalten Krankenhaus-Fliesen-Look hatten, wie in meiner Erinnerung aus alten Kliniken im Studium. Sie waren eher urgemütlich, mit freundlichen gelb-orangen Wandfarben, einem Riesen-Geburtsbett, in alle Richtungen und auch in der Höhe verstellbar, einer fast herzförmigen Riesen-Badewanne mit Tür, mit der ich doch gleich anfing liebzuäugeln, auch wenn ich keine Wassergeburt beabsichtigte. Insgesamt war es eine Stimmung, die Frau Schwangere dazu verleitete, nur noch ihren Namen zu tanzen … und das Kind würde von selbst kommen. Fand ich irgendwie beruhigend, da ich – diesmal auf der anderen Seite, als Patientin stehend – eine Riesenangst vor der Geburt hatte! Ein natürliche Geburt hatte ich mir gewünscht – wenn schon, denn schon. Allerdings bekam ich dann „alles inklusive“ – vielleicht, damit ich über alles aus eigener Erfahrung mit meinen Patienten sprechen kann: einleitende Hormonpillen, grünes Fruchtwasser, Wehen, die durch die Hormonpille sofort einsetzten und verstärkt wurden, so dass sie statt alle 30–50 Minuten nun alle 4 Minuten auf einmal kamen … und das für lockere 12 Stunden. Die nette Badewanne diente mir zur Schmerzlinderung durch das warme Wasser für ca. eine Stunde – war jedoch leider eher machtlos gegen die sehr starken und häufigen Wehen. Endlich, nach 6 Stunden Aushalten mit verschiedenen Hebammen-Mitteln und mehreren Runden Bettelei, bekam ich dann eine PDA mit Schmerzpumpe. Es klappte beim 5. Versuch. Der Anästhesist, der die Spritze setzte, ein Oberarzt am Ende seines Nachtdienstes … und ich, die nicht mehr wusste, was schlimmer war – das Herumstechen im Rücken oder die Wehen. Da wir beide keine andere Wahl hatten, machten wir uns so gut es ging einen Spaß daraus. Ich weiß, dass ich immer wieder sagte: „Mach jetzt, noch mal – Hauptsache die Schmerzen sind weg!“ Und als ich irgendwann das elektrisierende Gefühl bis in die Beine spürte, wusste ich: Jetzt hat es endlich geklappt! Danach ging alles besser – für eine Weile. Bis die Hebamme aus der neuen Schicht am frühen Morgen entschied, die PDA-Pumpe einfach zu stoppen – natürlich ohne jemanden darüber zu informieren. Sie hatte wohl noch keine Erfahrung mit einer natürlichen Geburt unter PDA und fürchtete, dass die Kontraktionen aufhören würden. Das sorgte für kurze Verwirrungsmomente mitten in der Geburt, für noch mehr Schmerzen und Erschöpfung – und für meinen plötzlichen Wunsch, einen sofortigen Kaiserschnitt zu bekommen. Am Ende kam statt Kaiserschnitt die Saugglocke zum Einsatz … es blieb mir wirklich nichts erspart. Zugegeben, mit dem Begriff Saugglocke assoziierte ich bis dahin Mittelalter und Foltermethoden. Doch während der Geburt sind alle gleich … auch alle Schmerzen. Ob Saugglocke, Dammschnitt oder Dammnaht – ich spürte am Ende auch jeden einzelnen Einstich trotz liegender PDA (der Hebamme sei Dank…)! Da macht es nicht mehr viel aus, welche Art von Schmerz noch dazu kommt. Natürlich waren meine Gedanken immer beim Baby: Wieso steckt es so lange im Geburtskanal, als wolle es einfach noch ein bisschen länger im gemütlichen Mama-Bauch bleiben? Was für eine Haarfarbe kann man schon sehen? Sind die Herztöne immer noch in Ordnung?! Mein Mann hielt die gesamte Zeit meine Hand. Und ich quetschte sie wie verrückt. Und irgendwann war sie da! Das wundervollste Mädchen der Welt, noch richtig blau-rot, mit zerknitterter Haut … und so klein! Sie wurde auf meine Brust gelegt und fing sofort an, die Welt mit ihren großen schönen Augen zu erkunden. Ich weiß nicht mehr, ob sie die ganze Zeit schrie, ich glaube, sie schlief irgendwann an. Das tat ich dann auch, denn die Erschöpfung war groß. Doch der fantastische Preis für alle Schmerzen und stundenlangen Qualen war dieses unglaubliche Glück in meinen Armen! Meine Lieben, wie erging es euch in Sachen Geburt? Kennt ihr diese Angst davor und die enorme Erleichterung danach? Ihr könnt gern den Facebook-Beitrag zum Kommentieren nutzen. Ich freue mich auf eure Berichte! Eure Radina

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