Stillen oder nicht stillen? Ist das eigentlich die Frage? Und haben wir wirklich die Wahl?

Stillen oder nicht stillen? Ist das eigentlich die Frage? Und haben wir wirklich die Wahl?

Es ist ein seltsam glückseliges Gefühl, das eigene Kind in den Armen zu halten und zu stillen. Es ist eine Wonne, eine Meditation, eine Transition in eine andere Welt, in der sich nur du und das Kind und niemand sonst befindet. Dieses Gefühl ist so unbeschreiblich! Und ja: ich wollte stillen! Ich hatte es schon in Vorbereitung auf die Geburt geplant, zitterte, wie es beginnen würde und blickte mit Unverständnis herab auf Mütter, die schon vor der Geburt sagten, sie wollen aus plastisch-ästhetischen Gründen mit dem Stillen nicht mal anfangen … Doch es kam anders. Ganz anders. Das möchte ich euch heute erzählen, in einer kurzen Abhandlung über das Stillen, die eigene Wahl und meine Erfahrungen. Stillen ist heutzutage „im Trend“. Viele Mütter „erkämpfen“ sich langsam wieder das Recht, in der Öffentlichkeit zu stillen, ohne böse Blicke zugeworfen zu bekommen. Die World Health Organisation und alle Milch-Nahrungshersteller betonen immer wieder den hohen Wert der Muttermilch und erklären, warum sie für die Kleinen das Beste ist. Die grenzlosen Vorteile der mütterlichen Milch (Entwicklung der Immunabwehr der Kleinen, Versorgung mit notwendigen Nährstoffen und auch zur Festigung einer Mutter-Kind-Beziehung, das sogenannte Bonding) werde ich hier nicht im Einzelnen aufzählen – denn davon hat jede werdende Mami schon vieles gehört. Doch was machen, wenn das Stillen nicht klappt??! Gibt es das überhaupt? So manche Hebamme oder Stillberaterin würde jetzt sagen: "Nein, jede Mutter kann stillen!" Und das stimmt – allerdings nur zum Teil! Nach der Geburt kommt in der Tat immer Milch. Das hat Mutter Natur zum Glück so eingerichtet. Auch bei mir war es so. Ich konnte schon am ersten Tag, an dem meine Kleine auf der Welt war, dieses unglaubliche Glück verspüren, sie zu stillen, ihr auf diese Weise meine Lebensenergie und Liebe zu geben! Die erste Milch, das Kolostrum, ist nachweislich etwas dicker, fließt nicht sehr schnell und in auch nicht in großen Mengen. Dafür ist sie sehr nahrhaft und kann die Kleinen sehr gut sättigen. Sie enthält auch alles, was die Neugeborenen brauchen, es ist nur notwendig, die Kleinen alle zwei Stunden zu stillen. (Ja, liebe werdende Eltern, auch nachts …) In den ersten Nächten im Krankenhaus ließ ich mich durch die Schwestern wecken und mir beim „Baby-Anlegen“ helfen. Es funktionierte, irgendwie – auch wenn ich immer wieder zwischendurch einschlief und mit Schrecken wieder wach wurde, um nachzuschauen, ob ich nicht meinem eigenen Baby im Schlaf die Luft wegquetsche. Die tägliche Babykontrollen zeigten allerdings schwächliche Vitalzeichen. Zudem zitterte meine Kleine immer temperatur-unabhängig dermaßen stark und oft, dass die Kinderärztin in der Geburtsklinik sich schon selber Sorgen machte und weitere Blutkontrollen verordnete. Am Tag drei nach der Geburt kam dann meine Hebamme und schaffte etwas Ordnung. Sie sagte: „Dieses Baby bekommt doch viel zu wenig Milch!“ und dann noch: „Her mit dem Fläschchen!“ So begannen wir, Joie ein wenig Extramilch zuzufüttern. Und schon nach einem Tag besserte sich das Befinden meiner Kleinen, sie schlief ruhiger, die Zitterkrämpfe waren weg – wohl weil sie durch die Zugabe der Fläschchennahrung nun genug Nährstoffe, vor allem Mineralien und Spurenelemente, Calcium und Magnesium, bekam. Für mich hieß es weiter: Kämpfen für die Milch! Ich legte Joie regelmäßig und fleißig an, es gab trotzdem hin und wieder mal einige Milliliter leckere Milchnahrung aus dem Fläschchen. Die Stillberaterinnen im Krankenhaus machten mich dann mit den sog. Silikon-Stillhütchen bekannt (nein, keine Silikon-Implantate, meine Herren …). Bis dahin hatte ich diese Stillhütchen nur einmal im Geburtsvorbereitungskurs in der Hand gehalten. Nun musste ich lernen, damit auch umzugehen, auch wenn ich es ganz ohne bevorzugt hätte … Joie nahm die Flasche oder die Brust, manchmal mit, manchmal ohne „Hütchen“ – zum Glück war sie zunächst nicht wählerisch. Und dann kam der Milcheinschuss! Am vierten Tag, ganz klassisch, wie es die Hebammen beschreiben. Soviel zum „Nicht-genug-Milch-haben“! Jetzt platzte ich buchstäblich vor Milch und wusste kaum wohin damit, um die Schmerzen in meinen Brüsten beruhigen zu können. Glücklicherweise hatte eine Nachtschwester DIE Idee überhaupt – ich sollte die Milch abpumpen! Und so schloss sie mich bzw. meine Brüste an dieses seltsame Gerät an, die doppelte elektrische Milchpumpe, und drückte auf START. Ein neues, sehr ungewohntes Gefühl, dieses Milchpumpen. Anfangs völlig unerwartet, doch ich konnte mich daran, wohl oder übel, gewöhnen. So pumpte ich stolz die ersten Fläschchen Milch aus eigener Produktion ab. Damit fing leider der ganze „Teufelskreis“ an: Ich hatte plötzlich zu viel Milch, denn das Pumpen löste den Stau, regte aber die Milchproduktion trotzdem mehr an, die abgepumpte Milch gab ich Joie in der Flasche. Und so fing sie an, die Brust immer mehr zu verweigern, da sie sich an das einfache Trinken aus dem Fläschchen und das „Plastikgefühl“ der Silikon-Stillhütchen gewöhnt hatte. Kurz zusammengefasst: Es klappte mit dem Stillen – oder soll ich besser sagen mit „Muttermilch geben, gesaugt oder abgepumpt“, für maximal viereinhalb Monate, in denen einige Stillberaterinnen an mir verzweifelten. Viereinhalb Monate, die für mich „harte Arbeit“, mehr Milchstau und stark schmerzhafte Brustwarzen-Reizungen bedeuteten und in einer Milchpumperei rund um die Uhr endeten – da es für Joie immer schwieriger wurde, die Brust anzunehmen, ich ihr aber unbedingt weiter Muttermilch geben wollte. Allmählich begannen wir, täglich ein Fläschchen zuzufüttern, meist abends. Es hatte neben dem Gewicht halten für Joie noch den Vorteil, dass sie meist gut durchschlafen konnte – und wir beruhigt waren, dass sie genug Flüssigkeit und Nahrung bekam. Irgendwann jedoch musste ich zur Endokrinologin, zur Kontrolle meines Diabetes, den ich während der Schwangerschaft entwickelt hatte. Das Ergebnis war für mich schockierend: Meine Zuckerwerte deuteten auf einen bleibenden Diabetes hin – und prompt sollte ich beginnen, ein Medikament dagegen einzunehmen. Das kann jedoch bei einem gestillten Baby Unterzuckerung verursachen. Die Die Werte waren derart schlecht, dass die Endokrinologin von vornherein eine reine Diät oder nur homöopathische Mittel und ausgeschlossen hatte: „Wenn Sie diesen Diabetes nicht schnell zu einem insulinpflichtigen verwandeln wollen, nehmen sie diese Tabletten so schnell wie möglich ein. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“ Das bedeutete: Abstillen! So waren meine Erlebnisse mit dem Stillen – im Vergleich zu den Erfahrungen anderer Mamis, die ich kannte und die völlig problemlos stillen konnten – wie ein richtiger Krampf und … Kampf! Ich fühlte mich schlecht, nicht in der Lage zu sein, das Mütterlichste überhaupt – das Stillen – erfüllen zu können. In den Medien, in den sozialen Netzwerken und um mich herum sah ich überall stillende Mütter. Viele, denen ich auf Müttertreffen begegnete, verhielten sich wie eine Mama-Garde, die jede Mutter, die mit dem Fläschchen zufüttert anstatt zu stillen, böse beäugten und verurteilten. Ich fragte mich sogar: Ist dieser Krampf um das Stillen der neue Baby-Blues? Doch irgendwann entschied ich mich, mich davon nicht beeinflussen zu lassen und auf meinen eigenen Instinkt zu hören. Im fünften Monat stillte ich dann ab. Es fühlte sich, leider muss ich es so sagen, wie ein Segen an. Ich hatte es nicht geglaubt – ich, die in prenatalen Zeiten eine Verteidigerin der Stillenden sein wollte, spürte so eine Erleichterung abzustillen! Vielleicht, weil es ja nie so richtig klappte wie bei anderen Mamis – und ich mich so oft so sehr unter Druck setzte. Vielleicht, weil Joie und ich, wenn es keine Milchpumpen und keine Milchnahrung für Säuglinge gäbe, ein ernsthaftes Problem hätten. Und vielleicht, weil nicht nur „Stillen das Beste für Ihr Kind“ ist, wie die WHO und alle Milchnahrungshersteller behaupten, sondern vielmehr ist es die Liebe, Energie, Kraft und Ruhe, die jede Mama ihrem Baby „zufließen“ lässt – ob durch Muttermilch oder auf andere Weisen. Für ein gesundes Verhältnis zwischen Mutter und Kind ist die Frage, ob die Milch vom Mama kommt, nämlich nicht die Wichtigste – Hauptsache die Liebe und Nähe ist da. Und die Kalorien natürlich, damit Baby wächst und gedeiht. Liebe Mamis – und werdende Mamis – macht euch nicht zu viele Gedanken über das Stillen! Vor allem macht euch nicht zu viel Druck! Glückwunsch all denen, die es problemlos können! Es ist ein Segen. Genießt es und erlebt all diese schönen Momente mit euren Kleinen. Doch verurteilt nicht diejenigen, die nicht stillen können. Meist haben sie ihre eigenen ernsthaften Gründe abzustillen, sei es aus medizinischer Notwendigkeit, sei es aus Unmöglichkeit, organisch oder organisatorisch, da einige z. B. schon früh in den Job zurückkehren – und das Baby nicht immer mitgehen kann. Auch diese Mütter lieben ihre Kinder bis in die Unendlichkeit. Was denkt ihr darüber? Plant ihr zu stillen oder gleich das Fläschchen zu geben, da ihr Medikamente einnehmen müsst, die mit dem Stillen nicht vereinbar sind? Ist das Stillen für euch ein Segen oder ein Kampf? Ihr könnt gern unter dem Beitrag auf den Facebook-Post zu diesem Artikel kommentieren. Ich freue mich, über eure Erlebnisse zu hören! Bis zum nächsten Mal, Eure Radina

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