Working Mom

Working Mom

01.11.2016

Es sind diese neuartigen trendigen Bezeichnungen, die jetzt überall durch Blogs und durch die sozialen Netzwerke kursieren.. Oft lese ich immer neue Artikel, über Supermacht-Moms, die ähnlich wie die indische Gottheit Shiva mit ihren Aufgaben jonglieren und alles mit Bravour meistern. Oder aber auch über kinderlose Karriere-Frauen, die sich für immer gegen Kinder entschieden haben, weil sie lieber sich selbst, ihren Beruf und ihr Leben allein feiern wollen, und somit den nächsten neuen Trend setzen. Die Welt beziehungsweise vielmehr wir selbst haben eine neue, vielleicht attraktivere Art und Weise erfunden, uns in Schubladen zu sortieren – nur jetzt ist es eine Schublade mit Follower. Je lauter, trendiger, weiter man diese aufmacht, desto mehr Follower springen hinein...womoglich...

Ich wollte mich nie in den Reihen dieser Trends einordnen oder in diesem Up-To-Date-Stream mitschwimmen, aber da ich nun in einer Situation bin, in der ich mich mit einem solchen Thema auseinander setzen kann, mache ich es einfach, mal sehen was passiert – es könnte doch einige Follower down the river in mein Boot mitreißen ;)

Bald bin ich also eine Working Mom.

Wow, Scheinwerferlicht konzentriert sich auf nur einen Spot, Fanfaren ertönen und nach einer Schock-Starr-Sekunde hört man stürmischen Applaus aus dem Saal!

Working Mom!

Jetzt kann ich mich also ENDLICH der Reihe oder soll ich sagen der Gruppe zuordnen, die mit einer sleaken Frisur (meist streng zurückgezogenen Pony-Zopf, passt sehr gut zu Brunette), schwarz umrahmten Hornbrille, definierenden Lippenstift, einen nicht weniger sleaken Kashmir-Rollkragen-Pullover, Bleistift-Rock, 12-Zentimeter-Leder-Pumps und ein nettes Leder-Köfferchen, sich den wichtigen Dingen im Leben widmen, nämlich – ihrer Arbeit.

Was? Höre ich da Stimmen aus dem Saal?

Ja, die Working People meine ich, genau die! Ich dachte Working Mom ist ja irgendwie das gleiche, nein?

Was genau unterscheidet eine Working Mom von einer Single Mom, ähem ..  ich meine Single Karrierefrau, Entschuldigung. Dass sie erstmal eine Mom ist, stimmt. Dass sie womoglich Milchflecken oder Keksreste auf ihrem Kashmir-Rollkragen-Pullover haben wird, wenn sie überhaupt noch einen Kashmir-Pullover vor den kleinen zerstörerischen Händen ihres Toddlers gerettet hat... Und was noch? Ah, die fehlende Schminke, oder die Streifen, vertuschte Maskara, ungeschickte Lippenstiftlinien? Möglich... Dass sie bevor sie zur Arbeit gelaufen ist, bereits zwei oder drei Stunden Marathon mit erhöhter Schwierigkeitsstufe bewältigt hat, bestehend aus sich selbst zurecht machen, Baby oder Kleinkind wecken, waschen, wickeln, anziehen, füttern. Nochmal anziehen, da Flecken auf die Kleidung angekommen sind, noch mal wickeln, da die warme Milch zu gut war, nochmal einen Keks geben, da es sonst einen Konzert der Unzufriedenheit geben könnte. Sich sammeln, Kind sammeln, Autoschlüssel suchen, Autoschlüssel finden, losgehen, abschliessen, kurz vor dem Auto daran denken, dass die Reserve-Windeln vergessen wurden, wieder hoch in die Wohnung, Windeln sammeln, feststellen, dass das Kleine auf dem Weg die Schuhe verloren hat, alles auf dem Weg zurück absuchen, die verlorenen Schuhe des Kindes wieder anbinden, zurück zum Auto. Und so weiter bis zum Kindergarten, inklusive Stau auf dem Weg.

Ein mögliches Szenario, nicht ausgeschlossen..

Working Mom! Das klingt so gut und so vielversprechend. Nach etwas, was aus der Unerreichbarkeit heraus, endlich wahr werden konnte. Nach etwas, wonach Mom strebt!

Für manche klingt es allerdings nach der Krönung der Oxymoronen.

Doch warum muss es so sein?

Ist denn eine Mom, bevor sie zurück zu ihren Job geht, nicht „Working“?? Ist denn der Adjektiv „Working“ vor dem Subjektiv „Mom“ der einzige Grund, diese Bezeichnung als eine großartige Errungenschaft zu nutzen, sie dann als Trend zu tarnen und alle die diesen Trend folgen, mit ...was genau zu belohnen??

Es scheint mir, derjenige, der diesen Begriff in die sozialen Netzwerke gesetzt hat, war nicht eine Mom selbst...

Es ist fast so, als ob die Mom vor der Phase als „Working Mom“, fast nur als ein Fabelwesen existiert zu haben scheint. In einer Art Dauer-Sabbatical, Dauer-Ferien, auf Kuschelwolke Sieben mit rosa Polka-Dots. Wobei das mit der Wolke Sieben nicht falsch ist – genauso fühlt es sich an, ein Kind auf den Armen zu haben.

Doch das „Working Mom“ klingt so vollkommen, so kompletiert und vollendet. Endlich für etwas zu gebrauchen.

Es ist auch eine recht neue Definition in unserem Sprachgebrauch, und wie alle Anglizismen oder Amerikanismen, erleichtert es unsere Sprache. Wir können diese einfach so übernehmen, anstatt mit vielen anderen Worten etwas zu umschreiben, was so viel besser auf den Punkt gebracht wird.

Doch hier habe ich einige bad news für alle, die sich gern mit diesen ganz neuen und ganz trendigen Bezeichnungen verziert sehen wollen.

„Working Mom“ ist nichts Neues, liebe Ladies. Meine Mom selbst war schon eine Working Mom, vor 37 Jahren als ich 6 Monate alt war und sie klassisch zurück zu ihrer Arbeit gekehrt ist, während ich in der Krippe keine Ahnung was gemacht habe...

„Working Mom“ ist auch nicht etwas, was wundersam oder von einer großartigen Bedeutung ist – denn: In vielen Ländern der Welt, auch direkt vor unseren Türen, bei unseren Nachbarn in Europa kehren Mütter viel viel früher zurück zu ihren Jobs als wir in Deutschland. Eine Working Mom ist Routine, nicht etwa eine Auszeichnung.

Zum einen, weil die Zeit der bezahlten, vom Staat unterstützten, Mutter- bzw. Elternzeit viel kürzer ist, oder zum anderen, weil es eine solche kaum gibt – die Alternative wäre dann, einfach zuhause zu bleiben, ohne eine Perspektive, den alten Arbeitsplatz wieder zu besetzen.

Eine solche Gesetzgebung wie es die in Deutschland bezüglich der Elternzeit von drei Jahren und der Garantie, zum alten Arbeitsplatz zurückzukommen, gibt es in anderen Länder kaum. Dagegen gibt es nichts einzuwenden – wie toll ist es, die ersten drei Jahre für das eigene Kind voll da zu sein, und alles mitzuerleben! Diesen Weg wählen auch viele Mütter – die es sich leisten oder nicht leisten können, aber immerhin eine Aussicht haben, ihre früheren Jobpositionen wieder einzunehmen. Doch macht sie das zu „Non-Working-Moms“?

Und dann wieder, wenn Moms zurück zu ihrer Arbeit kommen – sind sie dann eins zu eins mit ihrer Kolleginnen, die keine Kinder haben, zu vergleichen? Überstunden, externe Termine, neue nicht familien-konforme Arbeitszeiten – sind das Hürden, die jede „Working Mom“ ohne weiteres bewältigen kann?? Viele versuchen es zumindest. Und meistern den täglichen Marathon und noch vielmehr, einzig und allein mit viel Unterstützung ihrer Familien.

Und es gibt dann viele andere Mütter auf dieser Welt, die sich keine Gedanken machen, ob sie nun eine „Working Mom“ sind oder nicht. Sondern es einfach machen, weil sie keine Zeit mit neutrendigen Floskeln zu verlieren haben – sie erleben jeden Tag neu mit ihrer Kindern, mit ihren Familien, erledigen alles, was zu tun ist, sei es Hausarbeit, Jobtermin, Vollzeit-Aufgabe ... oder einfach nur Überleben, Schutz vor dem nächsten Bombenanschlag finden oder ein warmes Essen für ihr Kleines organisieren. Auch diese Wirklichkeiten gibt es.

Warum schreibe ich das alles, liebe Follower?

Um allen, die Mütter werden oder werden wollen, oder bereits Mutter sind, sich aber noch so viele Sorgen und Gedanken über die Zukunft machen, etwas mitzuteilen.

Es gibt keine Regeln, es gibt keine Normen, die man, beziehungsweise Mom, erfüllen muss, und schon gar nicht Trends, die eine Mom befolgen muss. Es gibt nur die eine Prämisse – das Wohl des Kindes und der Schutz der Familie.

Eine Mom ist eine Mom, ob Working oder nicht-Working, ob bei der tausendsten Überstunde am Arbeitsplatz oder Zuhause, über das Kinderbettchen ihres verschnupften Kindes wachend. Eine Mom ist eine Mutter und wird immer andere Sorgen im Kopf haben als die kinderlose Kollegin. Eine Mom hat keinen Urlaub, auch wenn sie faktisch Urlaub hat. Und eine Mom hat immer einen kleinen lächelnden strahlenden Sonnenschein, zu dem sie zurück nach Hause kommen kann.

Wir leben in einer Toleranz-Gesellschaft. Alles wird ausprobiert, alles darf, was gefällt, alles wird akzeptiert. In dieser Gesellschaft sollte eine „Working Mom“ nicht ein Muss sein, und die „Stay-At-Home-Mom“ darf nicht mit nach oben rollenden Augen verpönt werden, es darf allerdings auch nicht die „Working Mom“ als Supermacht gedealt und an den Grenzen ihres menschlichen Daseins gebracht werden, um immer mehr und mehr leisten zu müssen, damit sie sich ihrer kinderlosen Kollegen anpassen kann.

Nach diesem Plädoyer für die zuhause oder an ihren Arbeitsplätzen arbeitenden Mütter, hoffe ich euch noch als Follower auf meiner Seite zu haben. Und wenn ihr euch fragt, wie es Joie geht –  sie ist im Kindergarten! Alles läuft soweit sehr gut und so werde ich euch nächstes Mal erzählen, wie Joie in den Kindergarten eingewöhnt wurde und welche Abenteuer sie dort bereits erleben durfte!

Bis bald!

Eure Radina soon-to-be a Working Mom, und Joie, abwesend, da heute im Kindergarten ;)

 

 

 

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